Sind da wirklich drei Männer alleine wochenlang quer durch Mesopotamien gezogen? (CW: Religion, Weihnachten)
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Die weihnachtliche Folklore erzählt von den Heiligen Drei Königen, die auf Pferden nach Bethlehem geritten kamen, um das Jesukind zu sehen.
Um Atze Schröder zu zitieren: „Ja nee, is’ klar!“
Voltaire würde es so ausdrücken: „Die Heiligen Drei Könige waren weder heilig noch drei noch Könige.“
Nicht nur Historiker sagen nämlich etwas anderes, sondern auch die Evangelisten. Und auch der Koran, in dem Jesus einer der wichtigsten Propheten ist. Und auch die heiligen jüdischen Schriften. Matthäus bezeichnet sie als „Sterndeuter“ und impliziert gar, sie seien Scharlatane gewesen. Unter Protestanten heißen sie die „Weisen aus dem Morgenland“.
Zunächst einmal: Wie können sie heilig gewesen sein? Wer hat sie heilig gesprochen und unter welcher Religion oder Konfession? Zumal wir von keinem davon im Alten Testament gelesen haben.
Vor allem aber: Drei Monarchen, die ohne irgendwelches Gefolge und sogar ohne irgendetwas in der Art einer Leibgarde auf Pferden quer durch Mesopotamien reiten? Einträchtig, also, ohne sich gegenseitig an die Gurgel zu gehen, was so im eisenzeitlichen Mesopotamien unter gleich drei Herrschern schon eine ziemliche Rarität gewesen sein dürfte? Noch dazu mit lauter Geschenken für das Jesukind und natürlich Verpflegung für die Reiter, alles auf denselben drei Reittieren, die sie selber ritten? Oder sollen die sogar das ganze Stück mit dem ganzen Zeugs gelaufen sein?
Man beachte überhaupt die Geschenke: Gold, Weihrauch und Myrrhe. Gold ist ein Edelmetall, also schwer. Weihrauch und Myrrhe sind Baumharze, getrocknet in entsprechenden Mengen also auch schwer. Dann wären noch die Umverpackungen dazugekommen. Auch in kleineren Mengen wären die Geschenke nicht sehr leicht gewesen.
Noch irgendjemand hier, für den sich das irgendwie unglaubwürdig liest? Zumal selbst z. B. Matthäus das nicht behauptet?
Wenn, dann dürfte da eher eine ganze Karawane angerückt sein mit allem Schickimicki. Mit genügend Dromedaren und Eseln und anderen für das dortige Klima und die dortigen Bodenverhältnisse gut geeigneten Huftieren, um halb Bethlehem lahmzulegen. Mit was auch immer das für „Weise“ waren und einer Riesencrew und Wachpersonal und den Geschenken und Verpflegung und einer mobilen Zeltstadt für die ganzen Übernachtungen und hastenichgesehn.
Nur mal so als Maßstab: Von Babylon nach Bethlehem wäre man zu Fuß locker-flockig mehr als zwei Wochen unterwegs. Pro Richtung. Ein beladenes Dromedar wäre auch nicht schneller. Mit Auf- und Abbau der Zeltstadt würde es noch länger dauern. Noch dazu ginge es quer durch die Wüste, wo es nicht alle paar Dutzend Kilometer ein Kaff gibt, wo man sich verpflegen oder auch mal einkehren kann. Unterkunft und Verpflegung hätte man also auch mitnehmen müssen.
Vielleicht kamen sie aber auch aus der Gegend um den Vansee in der heutigen Türkei. Oder gar aus Persien, also dem heutigen Iran. Das wäre noch weiter gewesen, und da wären dann auch noch Gebirge im Weg gewesen. Wahrscheinlich hätten sie auf dem Weg auf andere Nutztiere umladen müssen oder so.
Aus Syrien kommt übrigens die Information, es seien ganze zwölf persische Monarchen gewesen. Im Altertum wäre das der absolute logistische Wahnwitz gewesen.
Laut anderen Quellen müssen gleich mehrere Karawanen aus verschiedenen Richtungen gekommen sein. Das würde sogar ein bemerkenswertes Timing voraussetzen in einer Zeit ohne nennenswerte Telekommunikation. Wenn dann alleine aus Persien so eine Monsterkarawane gekommen wäre, wie syrische Quellen berichten, hätten sie in Summe halb Judäa verstopft.
Ich schätze mal, möglicherweise sind nur die Weisen selber nach Bethlehem reingegangen und haben die Nutztiere mit den Geschenken mitgenommen. Am nördlichen Stadtrand – die waren ja alle erst in Jerusalem – dürfte es derweil eine Zeltstadt gegeben haben, die die Fläche Bethlehems erheblich erweitert hätte.
Einen hab’ ich noch: Einer der „Heiligen Drei Könige“ soll schwarz gewesen sein. Kloppt euch drum, welcher. Entweder ist das ein Indiz für mindestens eine eigene Karawane aus Afrika. Vielleicht hat man da nubische Nomaden als Karawanenprofis herangezogen, oder die Nubier haben selbst zu den Geschenken beigetragen. Oder das ist einer der frühesten Fälle des Blackwashing, damit jeder drei „Heiligen Drei Könige“ je einen der damals bekannten Erdteile symbolisieren sollte.
Aber ein nubischer König, der alleine mitsamt Geschenken und allem, was er sonst so braucht, von Nubien über Ägypten und den Sinai erst durch halb Mesopotamien reitet, sich dann mit den anderen beiden trifft, die auch jeweils alleine reiten, und dann mit den beiden aus Richtung Osten nach Jerusalem und dann nach Bethlehem reitet: keine Chance.
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