cover photo

Die Dampfdruck-Presse

dampfdruckpresse@hub.hubzilla.hu

Channel Apps

Watte-Religion

Image/photo

Watte IST das Trägermaterial für Selbstwickelverdampfer und auch für Fertigverdampfer. So wie vor ein paar Jahren Watte noch eine Randerscheinung für diesen Zweck war, sind inzwischen Glasfaser- oder Silikatwicklungen eher Exoten geworden. Die zahlreichen Vorteile von Watte drängen den vermutlich einzigen Nachteil in den Hintergrund.

Nachteil? Ja, es gibt einen Nachteil gegenüber Glasfaser- bzw. Silikatschnur: Watte ist nicht sonderlich temperaturbeständig. Wird sie trocken mit einer Heizwendel befeuert, geht sie schlicht in Flammen auf. Doch das tritt ob der enormen Vorteile in den Hintergrund. Was bei verschiedenen Fasern noch bedeutend war – nämlich eben diese „Dryburn-Fähigkeit“ kann man mit Watte nicht haben. Allerdings war die Notwendigkeit der Dryburn-Fähigkeit auch der Tatsache geschuldet, dass seinerzeit noch relativ dünne Drähte recht „stramm“ um Fasern gewickelt wurden. Man konnte die Faser für einen Dryburn schlicht nicht entnehmen. Selbst wenn man sie herausziehen konnte und vielleicht sogar neue einfädeln konnte, verzogen sich die Wicklungen aus den dünnen Drähten so, dass die Wicklung quasi unbenutzbar wurde. Also musste die Faser beim Dryburn in der Wicklung bleiben und die Glut überstehen.

Inzwischen sind die verwendeten Heizdrähte jedoch bei einer Stärke angekommen, die verhindert, dass sich beim Entnehmen und Einfädeln neuen Trägermaterials die Wicklung verzieht. Und nun kommt der erste Vorteil ins Spiel: Watte ist unglaublich preisgünstig. Es lohnt nicht, zu versuchen, die Watte zu reinigen und erneut zu verwenden. Sie wird nach Entnahme entsorgt.

Ein weitere Vorteil ist die enorme Speicherfähigkeit von Watte. Ein Wattestrang kann sehr viel Liquid aufnehmen und auch halten, ohne dass es von der Faser tropft. Damit hat man schon ein kleines Depot, was sich gerade bei Tröpfelverdampfern positiv bemerkbar macht.

Und Watte hat auch ganz hervorragende Liquid-Transport-Eigenschaften. Die Kapillarwirkung ist enorm und mit einem gut dimensionierten und geführten Wattestrang erreicht man eine optimale Versorgung der Wicklung mit Liquid.

Nicht anders als bei den verschiedenen Glasfasern, gibt es auch bei den verschiedenen Wattesorten unterschiedliche Eigenschaften und es wird trefflich darüber „gestritten“, welche denn nun die „beste“ Watte ist. Nun, das muss jeder für sich selbst entscheiden, ich werde hier nur die wichtigsten Sorten aufführen und versuchen ein wenig über eben diese Eigenschaften aufzuklären.

Die erste Unterscheidung findet beim verwendeten Faser-Material statt. Es gibt Watte aus Baumwolle und Watte aus Viskose, sowie Mischwatte, die aus einem Baumwolle-Viskose-Gemisch besteht. Verwendbar sind alle Sorten. Es wurde anfangs zwar darauf geschlossen, Viskose sei nicht geeignet, weil es sich um eine Kunstfaser handelt. Das stimmt so aber nicht. Viskose ist zwar eine künstlich (in einem umwelttechnisch nicht unbedingt unbedenklichen Verfahren) hergestellte Faser, aber als Endprodukt sozusagen „künstlich erzeugte Baumwolle“. Die Rohstoffe sind ohnehin Naturprodukte (Holzabfälle etc.) Die Fasern bestehen aus nahezu identischen Molekülketten. Ein Vorteil der Viskose ist die größere Länge der Einzelfasern. Damit hat sie eine geringfügig verbesserte Transportfähigkeit für das Liquid und vor allem lässt sie sich einfacher verarbeiten, weil sie beim Auseinanderzupfen nicht so schnell reißt. Trotz allem lässt sich Baumwolle ebenfalls sehr gut verarbeiten. Inzwischen hat man die freie Wahl zwischen allen Wattesorten. Wird das Material mit „Rayon“ angegeben, so handelt es sich ebenfalls um Viskose. Baumwolle mag vielleicht etwas schlechter zu verarbeiten sein, vielleicht nicht ganz so perfekt das Liquid transportieren, dafür hält die Watte aus Baumwolle das Liquid etwas besser. Wer beide Eigenschaften möchte, nimmt Misch-Watte… the best of both worlds.

Aber welche Watte nimmt man nun?

Anfangs wurde entweder ausschließlich Kosmetikwatte verwendet (meist Baumwolle, vor allem aber unbehandelt, ungefärbt und unparfümiert) oder es wurde aus der Not heraus das Ende von Wattestäbchen auseinander gepopelt. Kosmetikwatte ist eine extrem preisgünstige Methode, sich mit Wickelmaterial zu versorgen und sie ist überall erhältlich.

Image/photo

Image/photo

Wollte man Viskose-Watte haben, so musste man auf Verbandswatte zurückgreifen oder man hat todesverachtend (weil die Watte sicher nicht besonders gut gereinigt ist) Polierwatte fürs Auto genommen. Es gibt aber auch Kosmetikwatte aus Viskose.

Irgendwann muss ein verzweifelter Dampfer, dem die Kosmetikwatte ausgegangen war und dessen letztes Wattestäbchen voll Ohrenschmalz war, an den Spiegelschrank im Badezimmer gegangen sein. Dort hat er sich einen Tampon von der Dame des Hauses gemopst und diesen „geschlachtet“: Watte!
Und weil er das so toll fand, dies als Tipp für alle mit Wattemangel weiter zu geben, wurde das im Internet veröffentlicht. Und der Tipp ist gut. Ich habe mich vor langer Zeit auch daran gewagt (obwohl ich noch ausreichend Kosmetikwatte hatte) und habe festgestellt, dass diese Watte ausgesprochen gut geeignet ist. Ich habe mich dann mit diesen Hygieneartikeln auseinandergesetzt und festgestellt, dass man dieses Material bedenkenlos verwenden kann. Es handelt sich meist um Mischwatte aus Baumwolle und Viskose.

Vor kurzer Zeit kamen dann Wattepads in Mode. Die billigen heimischen runden Pads wurden früher schon als ungeeignet eingestuft. Das liegt daran, dass in diesen Pads zwischen den Baumwollvliesen nur Watteflöckchen (vermutlich Abfallprodukte aus der sonstigen Watte-Konfektionierung) verarbeitet werden. Diese Pads zerfallen beinahe wie von selbst, sobald sich das Vlies auch nur auf einer Seite löst.
Aber in Fernost… in Japan… dort gab es Wattepads (meist viereckige Pads, selten runde), die mit sehr gut zu verarbeitender langfaseriger Watte bestückt waren. So fand die Muji-Watte, die Koh Gen Do Watte und noch ein paar weitere unbekanntere Sorten den Weg in die heimischen Wickelkästen.
Diese Wattepads lassen sich sehr gut dosieren (man schneidet passende Streifen ab) und auch gut modellieren. Das Bestücken der Wicklung mit dieser Watte ist wirklich einfach… ein Kinderspiel.

Ebenfalls in vielen Shops werden als „Dampfer-Watte“ Beutel mit Wattebäuschen angeboten. Wer die mag und keine bekommen kann, sollte einmal bei seinem Friseur einen Strang der Friseur-Watte erbetteln. Mit einer Schere kann man dann seinen leeren Beutel leicht auffüllen.

Wenn es um Watte für’s Dampfen geht, dann begibt man sich in den Bereich der “Religion”. Jeder hat ein oder zwei Wattegötzen, die unfehlbar und die einzig wahren Wattense sind. Das möchte ich auch keinem nehmen. Wer aber mit Watte beginnt, den will ich jetzt ein paar Infos mitgeben.

  1. Watte ist Watte! Auch wenn bestimmten Wattesorten ganz besondere Eigenschaften nachgesagt werden, sind die Unterschiede tatsächlich ausgesprochen gering.
  2. Es hängt nicht von einer bestimmten “Marke” ab, wie gut Watte zum Dampfen geeignet ist. Egal, ob man Kosmetikwatte, Verbandswatte, “Dampfer”-Watte nimmt, die Geeignetheit hängt von Zusammensetzung uns Struktur ab, nicht aber vom “Label”.
  3. Es ist unerheblich, ob man Viskose- oder Baumwoll- oder Mischwatte verwendet. Geschmacklich sollten sie – ordentliche Reinheit vorausgesetzt – keinen Einfluss auf das Erlebnis haben.
  4. Baumwollwatte ist in der Regel kurzfaserig. Es handelt sich halt um ein Naturprodukt und die Faserlänge hängt von den Eigenschaften der jeweiligen Baumwoll-Pflanze ab. Aufgrund der kürzeren Fasern ist die Watte gut modellierbar, neigt aber beim Ziehen in die Länge oder Breite leichter zum Auseinanderreißen. Es hängt also sehr vom Verdampfer ab, ob die Modellierbarkeit ein Vorteil ist, der das leichtere Reißen wett macht. Baumwollwatte hat sehr gute Speicherfähigkeiten und anständige Transportfähigkeiten, was das Liquid anbelangt.
  5. Viskosewatte ist in der Regel langfaseriger als Baumwollwatte. Die Fasern werden aus natürlichen Rohstoffen gesponnen, weshalb die Faserlänge produktionsbedingt recht gut zu bestimmen ist. Meist sind die Fasern von Viskose-Watte halbwegs ausgerichtet. Das verbessert die Liquid-Transportfähigkeit gegenüber der Baumwoll-Watte ein wenig. Die Speicherfähigkeit leidet darunter aber auch nicht wirklich. Durch die längeren Fasern ist Viskosewatte nicht ganz so gut modellierbar, wie die Baumwollwatte. Dafür ist sie aber deutlich reißfester. Kommt es bei einem Verdampfer also eher darauf an, die Watte zu einem längeren Strang zu ziehen, so fällt es mit Viskosewatte leichter.
  6. Mischwatte… also Watte aus einem Baumwoll-Viskose-Gemisch vereint Vor- und Nachteile beider Sorten, wobei die wenigen “Nachteile” durch den jeweiligen Vorteil der anderen Sorte mehr als ausgemerzt werden.
  7. “Speziell für das Dampfen entwickelte Watte” ist eine moderne Legende. Kein Hersteller von Dampf-Zubehör kann sich im Keller eine Entkörnungsmaschine oder eine Anlage zum Sortieren nach Faserlänge oder gar ein Natronlaugebad zum Veredeln hinstellen… nur um eine nicht wirklich bedeutende Menge an Watte herzustellen. Und die Herstellung von Viskose (oder Rayon oder welche Markenbezeichnung auch immer… ist und bleibt Viskose) ist ein recht aufwändiges und auch umwelttechnisch nicht ganz unproblematisches Verfahren. Das kann auch kein Dampfkram-Hersteller in der Scheune machen. Die Produktion der Watte muss von ihnen also zumindest an Industriebetriebe für die Watteherstellung abgegeben werden. Dort können dann bei Bestellung (und da müssen sie schon einiges an Menge abnehmen) bestimmte Eigenschaften, was Faserlänge, Struktur, Konfektionierung anbelangt, vorgegeben werden. Das hält sich aber auch in einem eher begrenzten Rahmen. Und groß Herumtesten, ob die Watte denn nun passt, wird auch nicht möglich sein. Eine Wattefabrik stellt nicht die Maschinen für eine Hand voll Watte ein, damit der Kunde intensiv testen kann. Es wird sich also immer um mehr oder weniger Standardwatte handeln. Die wird nur dadurch zu “Dampferwatte”, weil sie von einem Dampfkramhändler oder -hersteller in Auftrag gegeben wurde und als solche dann verkauft wird.
    Watte war und ist ein wenig eine Gelddruck-Maschine. Auch speziell in Auftrag gegebene Watte wird ab Werk nicht wesentlich teurer sein, als die Standard-Sorten. wenn man sich nun mal eine Packung Viskose-Verbandswatte anschaut und dann sogar den Endkunden-Preis zur Grundlage nimmt… das ganze dann in Relation zu einer “speziellen Dampferwatte” (auch aus Viskose, wie auch immer die genannt wird), die man für 4,50 € je 5 Gramm kaufen kann, setzt, dann gäbe es da schon eine Gewinnspanne von 500 – 600 %(!!!)!
  8. Eigengeschmack… ist auch so eine Art “Legende”. Solange man achtet, dass man unparfümierte und hochreine Kosmetik- oder Verbandswatte kauft, dann sind da keine Fertigungsrückstände oder Verschmutzungen drin. Nichts, was sich im Liquid lösen und den Geschmack merklich verändern könnte. Dass ein frisch bewatteter Verdampfer die ersten paar Züge vielleicht doch ein wenig “komisch” schmeckt liegt eher daran, dass die Watte erst noch die Liquidaufnahme “lernen” muss… also – egal wie nass sie erscheint – doch noch nicht in jedem Faserzwischenraum Liquid hat. Wie schnell das “Lernen” geht und wie ausgeprägt der “Neugeschmack” ist, hängt dann vor allem von Material und Struktur ab. Viel häufiger dürfte es aber der Fall sein, dass man den Geschmack von den eigenen Fingern auf die Watte aufbringt. Händewaschen vor dem Wickeln ist ausgesprochen Sinnvoll. Wenn man dann auch noch stark an der Watte rumpopeln, schrauben und modellieren Muss, um sie in die gewünschte Form zu bringen, um so mehr Hautschuppen, Fett- und Schweißrückstände gelangen an die Watte… und das dauert dann auch ein paar Züge, bis das weggedampft ist.
  9. Fazit: Watte kann eine Religion sein. Wie man sich letztlich “taufen” lässt, hängt davon ab, welche man zum Einstieg nimmt, was man ausprobiert und wo die eigenen Vorlieben liegen. Die Unterschiede zwischen den verschiedenen Produkten sind aber extrem marginal, weshalb es letztlich zu einer “Glaubenssache” wird. Gerade Einsteigern ins Watte-Wickeln kann ich nur ans Herz legen, nicht zu viele Berichte über Wunder (es gab wirklich mal einen ernst gemeinten Bericht einer Dampferin, die behauptete, die spezielle und teure Watte würde dafür sorgen, dass die Wendel nicht so schnell verkrustet und nach x Tanks noch wie gerade gewickelt aussieht) zu lesen, etliche Sorten auszuprobieren und nicht anzunehmen, teure “Spezialwatte” sei nun die beste Wahl.
    Die beste Watte ist die, die man hat und mit der man gut klar kommt.
  10. Amen!

Image/photo